Smith, Martin Cruz by Countdown

Smith, Martin Cruz by Countdown

Autor:Countdown
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2012-08-21T17:42:20+00:00


14

In der Absicht, irgendwo zwischen Innenstadt und Asakusa die

Pistole ins Wasser zu werfen, nahm Harry eine Flussfähre. Die Fäh‐

re war schmal, und in der Kabine drängten sich schmuddelige Stu‐

denten, eine Strohhutbrigade junger Angestellter, ein Go‐Spieler mit

Brett, Hausfrauen mit Einkaufsnetzen voller Wintermelonen und

Kinder, die kleinere Kinder trugen. Harry trotzte der abendlichen Kühle und fuhr im nicht überdachten Vorschiff, wo sich außer ihm

nur ein Geschäftsmann, der neben der Buglampe Zeitung las, und ein kleiner Junge aufhielten, der einen Funken sprühenden Spielzeugpanzer übers Deck schob.

Der Nachthimmel war ein dunkles Blau, eingesäumt vom sanftes‐

ten Licht aller Großstädte dieser Welt, ein Licht, das durch Papier‐

fenster oder Schiebetüren drang oder in den tränenförmigen Kegeln

der Straßenlaternen bestand, die den Sumida‐Fluss säumten. In die‐

ser Entfernung von der Ginza gab es keine Bürogebäude mehr, die

den Blick verstellten, nur noch einen dunklen, gleich bleibenden Strom von ein‐ und zweistöckigen Häusern, hinter denen hier und

dort Neonzacken in den Himmel ragten wie das Ebisu‐Bier‐

Hochhaus oder die beleuchtete große Uhr des Ueno‐Bahnhofs. Auf

Balkonen, die über dem Wasser schwebten, wrangen nur halb zu sehende Gestalten Wäsche aus. Immer wieder wich der gedämpfte

Schein fleckiger Fenster einem hellen Platz mit Straßenlaterne, Brunnen und Kindern, die schreiend einen Straßenmusikanten um-lagerten, und machte dann erneut blinden Fenstern Platz, wobei die

Musik ebenso rasch verstummte, wie sie erklungen war. Um diese Zeit waren auf dem Fluss nur noch Fähren und Lastkähne unterwegs, die vorsichtig aus den Kanälen auftauchten oder in ihnen verschwanden. Harry hatte die Absicht, heute Nacht mit Michiko zu sprechen. Er wollte seinem Verrat mit kleinen Annehmlichkeiten

die Spitze nehmen und ihr die Wohnung und die Einnahmen des Happy Paris überlassen. Dafür war sie doch wie geschaffen, für das

Leben einer harten kleinen Mama‐san. So war es besser für sie, das

würde sie einsehen müssen. Er schob die Hand durch die Reling und tauchte sie ins eiskalte Wasser. Er fasste gerade nach der Pistole, als ein Fahrgast aus der Kabine trat, sich bei dem Jungen dafür entschuldigte, dass er das Schlachtfeld des Spielzeugpanzers

durchquerte, und sich neben Harry setzte. Es war Feldwebel Shozo

von der Sonderpolizei mit Aktentasche, der aussah wie ein Mann, der nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause fuhr.

»Eben habe ich noch zu mir gesagt«, sagte er zu Harry, »wenn das

nicht Harry Niles ist, und tatsächlich, Sie sind es. Aber wieso fahren Sie mit dem Boot, Sie haben doch einen Wagen?«

»Mal was anderes.«

»Ja, ich weiß, was Sie meinen. Ich bin immer gern auf dem Fluss.«

Er setzte eine nachdenkliche Miene auf, während Harry die Pistole

etwas tiefer in die Hose schob. »Aber wie kommen Sie zu Ihrem Wagen zurück?«

»Mit dem Boot, schätze ich. Oder ich schwimme.«

»Es würde mich nicht überraschen, wenn Sie fliegen.« Shozo grins‐

te breit. Er lehnte sich gegen die Reling und betrachtete das gegenü‐

berliegende Ufer, ein dunkler Saum, über dem sich Äste abzeichne‐

ten. »Kirschbäume. Letztes Jahr, als sie blühten, war ich mit meinem

Sohn hier. Wir hatten uns gerade Tarzan angesehen. Er wollte nur noch auf die Bäume klettern, sonst nichts. Er ist dreizehn.« Shozo schüttelte den Kopf.

»Hat Ihnen der Film gefallen?«, fragte Harry.

»Sehr gut. Etwas rassistisch, aber sehr unterhaltsam. Finden Sie nicht auch?«

»Großartiger Film.



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